- 22.02.2025
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- Cuxhavener Nachrichten
„Kein Platz für Extremismus“
Aktion „Kreuz ohne Haken“ macht Zusammenhalt sichtbar / Aktion an Schulen in Cuxhaven und Otterndorf
Von Maren Reese-Winne
Kreis Cuxhaven. Wenn an der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Deutschlands gesägt werden soll, dann ist es Zeit, gegenzuhalten: Deshalb stehen seit Freitag auf den Schulhöfen des Lichtenberg-Gymnasiums in Cuxhaven und der Johann-Heinrich-Voß-Schule in Otterndorf zwei in den Farben Pink und Gelb leuchtende Andreaskreuze.
Auch im Kreis Cuxhaven sind immer häufiger diese „Kreuze ohne Haken“zu sehen. Das Andreaskreuz steht - wie vor einem Bahnübergang - als Symbol für Schutz und gleichzeitig als Zeichen des Zusammenhalts. Entstanden sind sie ursprünglich als Symbol des Widerstands gegen völkische Siedler im Landkreis Uelzen, nun hat der Landkreis Cuxhaven den Schulen die Teilnahme an der Aktion angeboten.
Zahlreiche Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte des LiG blieben am Freitag freiwillig nach Unterrichtsschluss länger, um nach einer kurzen Einstimmung durch Schulleiter Martin Rehermann das Kreuz aufzuhängen und sich symbolisch dahinter zu versammeln.
Bewusstsein für Demokratie schaffen
Bewusstsein für Demokratie und gegen Extremismus habe einen wichtigen Platz in der Schule, so Martin Rehermann. „Wir wenden uns gegen Extremismus jeglicher Art - rechts, links oder islamistisch“, betonte er. „Denn was Extremisten eint, ist der Angriff auf unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung.“ Dem Thema war - verbunden mit einer Gedenkminute für die Opfer des Attentats in München - am Donnerstag bereits Thema einer Klassenleiterstunde am gesamten LiG gewidmet.
Das Lichtenberg-Gymnasium bekenne sich aber auch zur Vielfalt, so der Schulleiter. Sie sei ebenso wie Toleranz ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie: „Das eint uns und dabei sind wir viele. Wir sind auf keinen Fall allein“, meinte er, auch in Richtung Otterndorf zur dortigen Realschule gerichtet.
Dort waren die Jugendlichen am Freitagmorgen zunächst handwerklich gefordert. „Schriftzüge plotten, Holzlatten sägen und schleifen, pink und schwefelgelb lackieren, Schriftzüge aufsprühen und das Kreuz zusammenschrauben: Was sich nach einem Projekt im Kunst- und Werkunterricht anhört, ist tatsächlich gelebte und handlungsorientierte Demokratieerziehung an der Johann-Heinrich-Voß-Schule in Otterndorf“, schreibt Schulleiter Arne Gade.
Hiermit setze seine Schule ein Zeichen gegen Rechtsextremismus. Gade: „Die Schule hat sich entschieden, die Aktion in ihr Konzept zur Demokratieerziehung aufzunehmen. Rassismus und Ausgrenzung dürfen keinen Platz in der deutschen Demokratie finden.“
„Erinnerung nicht verblassen lassen“
Die Erinnerung an Deutschlands dunkelstes Kapitel - Aufstieg und Fall des Dritten Reichs mit Millionen Toten - dürfe für die Heranwachsenden nicht verblassen. „So werden immer wieder die Gedenkstätten Sandbostel und Buchenwald besucht und jüngst wurde an der Schule die Biografie von Arthur Samuel thematisiert, eines Juden, der die Zeit des Nationalsozialismus durch die Hilfe engagierter Bürger überlebt hat. Außerdem wurde der Film ,Gary’s Letter’ über das Leben des Holocaust-Überlebenden Gerd Sternberg aus Cuxhaven gezeigt.“
Neben der Erinnerungskultur würden die Jugendlichen in ihrem demokratischen Denken und Handeln bestärkt; im März als Nächstes mit dem kommunalpolitischen Planspiel „Pimp your Town“, zu dem auch die Hauptschule Otterndorf, das Gymnasium Otterndorf und die Schule Am Dobrock aus Cadenberge eingeladen seien.
Gade weiter: „Und vielleicht bekommt die Realschule auch einen Platz im Programm ,Leuchtfeuer Demokratie’ - einem Präventionsprogramm gegen die Radikalisierung von Jugendlichen, das vom Landkreis Cuxhaven und der Polizeidirektion Oldenburg entwickelt wurde.
In einer Zeit, in der die politische Meinungsbildung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen von sozialen Medien wie Tiktok, Youtube oder Instagram stark beeinflusst wird, müssen Elternhäuser und Schulen mit Hilfe von klassischen seriösen Medien aufklären und politische Themen mit Heranwachsenden kontrovers diskutieren. Und immer wieder muss auf das hingewiesen werden, was das Leben in unserem Land auszeichnet: Grundrechte für alle Bürgerinnen und Bürger, die es zu schützen gilt.“
Bewegung lehnt den Staat ab
Völkische Siedler wollen sich von der deutschen Staatsordnung befreien, um in unabhängigen Zonen ihrer nationalsozialistischen Weltansicht nachzugehen und von dort aus die Gesellschaft zu unterwandern. „Die völkischen Siedlungsprojekte sind kein Kurzzeitphänomen, sondern auf eine langfristige Beeinflussung der Alltagskultur ausgerichtet“, schreibt dazu die in der Stärkung der demokratischen Zivilgesellschaft engagierte Amadeu-Antonio-Stiftung.
Die Sorge beruht auf Erfahrung: Die völkische Bewegung war schon in den Jahren vor 1933 eine der tragfähigsten Bewegungen für den Aufstieg des Nationalsozialismus, wie die umfassende wissenschaftliche Arbeit des Historikers Henning K. Müller ergeben hat. (wir berichteten).